Donnerstag, 5. August 2021

So geht es weiter

Wir sind wieder mit dem Rest der Welt verbunden. Seit Montagabend funktionieren Fernseher, Telefon und Internet. Für uns ist jetzt fast alles so, wie vor drei Wochen. Es fehlt nur noch Gas und damit warmes Wasser und Heizung. Nach Aussagen der Stadt soll das noch Monate dauern können.

In den betroffenen Hochwassergebieten herrscht hingegen noch das Chaos, die Straßen sind verdreckt und von Baufahrzeugen verstopft, viele Häuser sind verlassen, in anderen wird noch immer der Schutt geräumt. Es sind kaum Handwerker zu bekommen, viele sind selbst betroffen und müssen sich erst um ihre Firma kümmern. Die Menschen müssen zum Duschen in Nachbarorte fahren. Verschiedene Organisationen verteilen warmes Essen an die Leute, die alles verloren haben bzw. die sich aufgrund der zerstörten Infrastruktur nicht selbst "bekochen" können. Auf einem ehemaligen Flugplatz entsteht ein Containerdorf für die, die durch die Flut obdachlos geworden sind. Die Zahl der Toten hat sich auf 141 erhöht und 17 Menschen gelten noch als vermisst.

Es wird viel Zeit vergehen, bis aus der "Kurstadt" wieder ein Ort wird, in dem man angenehm wohnen oder sich erholen kann.
Ich erwarte von den Stadtplanern, dass der Wiederaufbau der zerstörten Orte den Klimaveränderungen Rechnung trägt, dass z.B. die Bundesstraßen nicht direkt neben dem Fluss entlanglaufen, sondern in die Weinberge verlegt werden, dass Wohnbebauung nicht unmittelbar am Fluss stattfindet und dass dem Fluss breite Uferräume zum Ausweichen gelassen werden. Jetzt, wo am Ufer alles kaputt ist, haben die Verantwortlichen es in der Hand, die Fehler der Vergangenheit "auszubügeln".

Fräulein Plaudertasche hat vorgestern ihre zweite Corona-Impfung bekommen, im Impfbus der Bundeswehr. Unser Hausarzt ist selbst vom Hochwasser betroffen und kann seine Praxis nur im Notbetrieb führen.

Inzwischen wissen wir auch, wie es nach den Ferien weitergeht. Bis zu den Herbstferien wird Fräulein Plaudertasche in eine andere Schule gehen und zwar jeden Nachmittag. Die Schule liegt am anderen Ende der Stadt und läuft dann im Schichtbetrieb, vormittags die eigenen Schüler und nachmittags die Gäste. Die Anreise dahin muss allerdings noch geregelt werden.

Das waren meine letzten Ausführungen zum Hochwasser.
Meine nächsten Beiträge entsprechen dann wieder denen eines Nähtagebuches.

Bis dahin viele Grüße von Plaudertasche.

Sonntag, 1. August 2021

Flut im Ahrtal - Nichts ist mehr wie es war

Viel Zeit ist vergangen seit dem letzten Post. Die Johannisbeeren, die ich zuletzt fotografiert hatte, sind schon abgeerntet und verarbeitet.

Unsere Gegend wurde von einem verheerenden Hochwasser heimgesucht. Wir sind zum Glück "mit heiler Haut" davongekommen. Meine persönlichen Erlebnisse habe ich hier aufgeschrieben. Vorsicht, es ist viel zu lesen, (Bilder von der Katastrophe gibt es nicht):

Mittwoch

Es regnet in Strömen, schon den ganzen Tag. Abends rinnt eine braune Brühe wie ein Flusslauf die Parallelstraße vor unserem Haus herunter. Fräulein Plaudertasche nimmt ein Video auf, um es mit ihren Freundinnen zu teilen.

Gegen 21.00 Uhr kommt eine E-Mail von der Schule, dass in unserem Kreis Katastrophenalarm gilt und morgen keine Schule ist.

Donnerstag

Herr Plaudertasche kommt frühmorgens aus dem Bad und meint, wir würden im Mittelalter leben, ohne Strom und Wasser. Als müsste er das bekräftigen, stösst er sich ziemlich schmerzhaft am Schrank.

Dann beginnt das Abenteuer: Toilettenspülung mittels Gießkanne und Regenwasser, Zähneputzen mit Mineralwasser, Hand- und Körperreinigung mit gefiltertem Regenwasser. Zum Frühstück Müsli mit Milch. Um die Handy-Akkus zu schonen, wollte ich in die Stadt fahren und Batterien kaufen, aber ich kam nicht weit: alle Brücken über unser sonst beschauliches Flüsschen waren weg, einfach weggebrochen und weggespült. Die Stadt ist in zwei Teile zerbrochen, einen mit Geschäften und Supermärkten und einen ohne jede Einkaufsmöglichkeit. Wir leben im zweiten.

Herr Plaudertasche und ich fuhren dann bergauf in die Eifel, zum Einkauf von Lebensmitteln, die nicht gekühlt und gekocht werden mussten. Dabei tranken wir voller Genuss einen heißen Kaffee im Supermarkt. Fräulein Plaudertasche ging derweil auf Fototour, um die Katastrophe zu dokumentieren. Auf dem Rückweg nahmen wir noch aus einem Imbiss unser Mittagessen mit. Wieder zu Hause angekommen, ärgerte ich mich, dass wir die Batterien vergessen hatten.

Wir fuhren also noch einmal los, diesmal in die andere Richtung. Wir kamen nicht weit, sahen dabei unbeschreibliche Bilder der Zerstörung.

Leitplanken und Teile der Autobahn waren abgebrochen und lagen im Fluss, der sich ein neues Bett geschaffen hatte. Autos türmten sich zerdrückt und schlammüberzogen an Mauern und Leitplanken, Gullideckel fehlten, ungezählte Getränkekisten und Flaschen lagen verstreut, ein LKW der Müllabfuhr stand mit zerdrücktem Fahrerhaus quer zur Fahrbahn, die einem riesigen Schlammtümpel glich. Eisenbahngleise hingen wie Gerippe in der Luft, der ganze Unterbau war weggespült.

Wir wendeten und fuhren wieder die Eifel hoch, tankten und kauften Batterien. Jetzt konnten wir ein altes Radio nutzen, um uns über die Lage zu informieren. Den Abend verbrachten wir so lange es ging auf der Terrasse und danach bei Kerzenlicht im Wintergarten mit lesen, rätseln und malen.

Was war ich froh, als der Tag vorbei war.

Freitag

Es regnet wieder, aber nur leicht.

Kein Strom, kein Wasser, aber ein voller Gefrierschrank. Wir essen alles auf, was sich noch auf den alten Holzkohlegrill legen lässt und was an Kuchen noch da ist. Den Rest muss ich leider wegwerfen.

In drei Zimmern herrscht ewige Dunkelheit, weil wir die elektrischen Rollläden nicht hoch bekommen.

Langsam finde ich  das Abenteuer anstrengend: die Spülmaschine ist voll, das übrige gebrauchte Geschirr sammeln wir jetzt in einer großen Schüssel. Der Wäscheberg wächst und Hausputz geht nur mit Besen und Staubtuch.

Aber das sind Luxusprobleme, wir können froh sein, dass wir am Leben sind, unser Haus noch steht und wir genug zu essen haben. Ein paar Ortschaften weiter sind von den Wassermassen Häuser eingestürzt und zahlreiche Menschen gestorben. Viele werden noch vermisst.

Meine Schwiegermutter befindet sich zur Zeit in Kurzzeitpflege in einem Altenheim auf der anderen Fluss-Seite. Sie ist für uns nur per Handy erreichbar. Auch da herrscht der Notstand: keine Körperpflege, kein warmes Essen und keine Aussicht auf Besserung. Sie hat gehört, dass es heute wieder Wasser geben soll. Da bin ich ja mal gespannt.

Zum Frühstück gab es heute einen heißen Tee. Auf dem Rechaud im Fonduetopf konnten wir Mineralwasser aufkochen. Welch eine Freude!

Fräulein Plaudertasche ist wieder aufgebrochen zur Fototour.

Am Nachmittag rief ihre Lehrerin an und erkundigte sich nach ihr und uns, weil man von uns nichts hörte und wir nicht zu erreichen sind. Sie klang erleichtert, als sie hörte, dass es uns gut geht.

Samstag

Die Einsatzkräfte haben schon zahlreiche Straßen und Wege freigeräumt, so dass Herr Plaudertasche auf Umwegen das Haus seiner Mutter begutachten konnte. Es war von den Wassermassen eingeschlossen. Das Ausmaß der Verwüstung war nun, nach dem Rückgang des Wasser deutlich sichtbar.

Der Schlamm lag im Hof mindesten 30 cm hoch, ein Auto hing auf dem Geländer neben der Haustür, das große LKW-Garagentor war eingedrückt, die Mauern hinter und neben dem Haus waren umgekippt, Keller und Erdgeschoss geflutet. Alles, was sich in Keller, Garage und Erdgeschoss befand, ist jetzt Müll. Auch die Gasheizung und der Stromverteilerkasten standen unter Wasser.

Er fuhr dann zu seiner Mutter, um ihr zu berichten. Sie nahm es mit Fassung auf und war froh, dass ihre Mieter wohlauf waren.

Zu unserer großen Freude reisten meine Schwester und mein Schwager aus Bayern an und brachten uns einen Gaskocher samt Kartuschen. Wir hatten bereits vergeblich versucht, in der näheren Umgebung einen aufzutreiben. Als ich mal wieder „Netz“ hatte, las ich auf der Seite der Stadt, dass es noch Tage dauern könne, bis Strom und Wasser wieder überall verfügbar wären.

Bei uns ist inzwischen eine Regentonne leer und der Waschbottich mit dem schmutzigen Geschirr voll. Damit es in der Wohnung nicht müffelt, habe ich den im Gäste-WC untergebracht.

Wir haben noch einiges an Geschirr und Besteck, aber wenn das noch lange dauert, brauche ich bestimmt einen ganzen Tag dafür, die Spülmaschine ein- und wieder auszuräumen, wenn wir wieder Strom und Wasser haben.

Den ganzen Tag hören wir Martinshörner, Sirenen und Hubschrauber. Einsatzkräfte und Baufahrzeuge kommen in Kolonne die Eifel runter und Krankenwagen fahren, wie auf eine Perlenkette gezogen, hinunter ins Tal. Krankenhaus und Hospiz werden evakuiert.

Obwohl unser Leben einem Abenteuer gleicht, sind wir froh und dankbar, gesund und mit einem Dach über dem Kopf, davongekommen zu sein.

Über 100 Tote gibt es im Kreis zu beklagen und etliche Menschen werden noch vermisst.

Bei einer Fahrt durch den Matsch hat sich Herr Plaudertasche einen Reifen platt gefahren. Das Auto steht jetzt mitten in der betroffenen Region und der Abschleppwagen kommt nicht durch. Wir müssen bis Montag warten. Dann wird abgeschleppt und ein Leihwagen gestellt.

Als ich versuchte, im Auftrag meiner Schwiegermutter, ein Foto von ihrem Haus mit allen Schäden zu machen, brauchte ich zweieinhalb Stunden, bis ich wieder zu Hause war, für eine Strecke, die hin und zurück in „normalen“ Zeiten in zehn Minuten zu schaffen ist.

Sonntag

Nach unserem sehr individuellen Frühstück sind Fräulein Plaudertasche und ich aufgebrochen, um bei Oma Plaudertasche zu duschen und Haare zu waschen und die Handy-Akkus wieder aufzuladen. 

Herr Plaudertasche musste leider zu Hause bleiben, denn in meinem Auto gibt es nur zwei Sitze. Zum Trost brachten wir ihm Essen und Kuchen mit, als wir nach Hause kamen.

Unser Regenwasser neigt sich dem Ende, die zweite Tonne wird morgen leer sein. Hoffentlich gibt es endlich Strom und Wasser, bevor auch die dritte leer ist. Ab dann müssen wir uns ein Hotel/eine Pension suchen, möglichst mit Waschmaschine. Der Wäscheberg wächst und der Geschirrberg umfasst neben der vollen Spülmaschine zwei große Waschbottiche.

Ein leichter Modergeruch wabert durchs Haus. Das kommt wohl von den Toilettenspülungen mit dem grünen Regenwasser.

Und auch hier kann ich nur sagen, dass wir privilegiert sind, angesichts des Elends und der Zerstörung ein paar Hundert Meter von uns entfernt.

Wie oft habe ich den Hang und die Treppe verflucht, wenn ich die Einkäufe 52 Stufen hoch in die Küche schleppen musste. Jetzt bin ich dankbar, dass wir nicht unmittelbar vom Hochwasser betroffen sind.

Montag

Obwohl es schon ein paar Tage in unserem Schlafzimmer nicht mehr hell wird, wachen wir jeden Morgen sehr früh auf, in der Hoffnung, dass der Alptraum endlich vorbei ist, die Toilettenspülung funktioniert und wir die Kaffeemaschine benutzen können.

Nach dem Mittag konnten wir den Leihwagen abholen und haben zig Liter Mineralwasser gekauft. Später haben Fräulein Plaudertasche und ich den inzwischen aufgetürmten Geschirrberg weggespült, mit dem Mineralwasser, das wir im großen Suppentopf auf dem Gaskocher erhitzt hatten.

Jetzt ist auch die zweite Regentonne leer.

Am Abend machte die Feuerwehr die Durchsage, dass an bestimmten Stellen Versorgungs- und Brauchwasserabgabe-Stellen geschaffen wurden, an denen man auch sein Mobiltelefon aufladen kann. Für mich sieht das so aus, als gäbe es vorläufig keine Aussicht auf Strom und Wasser.

Wie ich gelesen habe, ist das Problem der Gasversorgung ein viel größeres. Hier soll es Monate dauern, bis die Versorgung durchgängig garantiert werden kann.

Was hat dieses Unwetter aus unserem schönen Ort gemacht? In einer Nacht haben wir ihn unwiederbringlich verloren.

Die Zahl der Toten ist auf 116 gestiegen und mehr als Tausend werden noch vermisst.

Dienstag

Die Zahl der Vermissten hat sich auf 170 reduziert und die Telefonanschlüsse sollen wieder hergestellt sein.

Davon merken wir nichts, ohne Strom kein Telefon. Und alles andere auch nicht.

In drei Räumen haben wir noch ewige Dunkelheit und aus dem Wäscheberg ist ein Gebirge geworden. Kurz entschlossen haben wir alles zusammen gepackt und sind nach B. in einen Waschsalon gefahren.

Eine Stunde und 28 Euro später war alles erledigt. Ich konnte fünf Waschmaschinen gleichzeitig nutzen.

Als wir nach Hause kamen, brannte Licht im Flur. Wir hatten sogar Wasser, zwar nur braunes, aber endlich Wasser. Leider nur kurze Zeit, jetzt ist es mit dem Wasser wieder vorbei.

Die Stadt hat sich inzwischen in ein staubiges Schlachtfeld verwandelt. Die Feuerwehr bittet die Autofahrer nur Schritt-Tempo zu fahren, um nicht so viel Staub aufzuwirbeln. Es gibt hier nur noch eine Brücke, um den Fluss zu überqueren. Die ist jetzt natürlich ein Nadelöhr und es gibt Staus und Behinderungen für die Rettungsfahrzeuge.

Überall in der Stadt wurden Brauch- und Trinkwasserstellen errichtet und mobile Toiletten aufgestellt.

Am Stadtrand entsteht ein surreales Gebirge aus Schutt und Müll.

Zweiter Mittwoch

Wir waren heute im Pflegeheim, um meiner Schwiegermutter einen Besuch abzustatten und die Wäsche zu tauschen. Sie hat noch immer keine Vorstellung davon, wie es außerhalb des Heimes aussieht und wie sich die Welt verändert hat.

Nach unserem Einkauf im Supermarkt trafen wir eine völlig verzweifelte Frau, deren Welt völlig „aus den Angeln“ war, die vor wenigen Jahren unseren Ort als Alterswohnsitz ausgewählt hatte.

Auf dem Weg nach Hause entstand noch dieses Foto:

Heute kam endlich der Anruf vom Abschleppunternehmen, das den Wagen von Herrn Plaudertasche in eine noch offene Werkstatt bringen soll. Selbst die Mobilfunkverbindung ist noch so schlecht, dass das Gespräch mehrfach unterbrochen wurde.

Und dennoch: wir müssen froh und dankbar sein, wir haben höchstens Luxusprobleme. Andere haben ihr Zuhause oder gar ihr Leben verloren, wir nur unseren Komfort.

Zweiter Donnerstag

Die Müllabfuhr war da, die Post kommt sporadisch vorbei, der Strom funktioniert. Alles Fortschritte auf dem Weg zur Normalität.

Gestern habe ich erfahren, dass das örtliche Stoffgeschäft auch schwer betroffen ist und deshalb aufgibt. Das tut mir unendlich leid. Damit ist auch Schluss mit Näh- und Patchwork-Kursen.

Wir können heute das Auto aus der Werkstatt holen und den Leihwagen zurückgeben.

Jetzt sind wir schon den achten Tag ohne Wasser, Gas, Telefon mit Internet und Fernsehen. Durch die großen Schäden an sämtlichen Versorgungsleitungen kann es noch lange dauern, bis hier alles so ist, wie es war, bevor der Starkregen einsetzte.

Für die Menschen, die direkt von Hochwasser betroffen sind, wird es nie wieder, wie es war.

Es gibt nicht nur materielle Schäden zu beklagen, sondern auch viele Menschenleben.

Das was vom Ort übrig ist, sieht aus wie eine Wüstenstadt. Alles ist mit einer Staubschicht überzogen und das Atmen fällt schwer.
Die Corona-Masken sind auch hilfreich gegen den Staub.

Zweiter Freitag

Auch heute wieder ohne Wasser, Gas, Fernsehen …

In der Eifel haben wir heute unseren Wochenendeinkauf gemacht.

Am Abend bin ich mit Fräulein Plaudertasche zu Fuß zum Haus meiner Schwiegermutter gewandert. Zuerst durch Staub und Müll, dann durch Schlamm und Müll. Es sieht hier aus wie in einem Kriegsgebiet. Überall in den Straßen erschöpfte verdreckte Menschen, die ihre Häuser vom Unrat befreien. Auch das Haus meiner Schwiegermutter ist schwer betroffen. Die beiden Erdgeschosswohnungen sind eigentlich unbewohnbar, vom Keller will ich gar nicht erst anfangen. Die Garage, der Hof … alles schlammüberzogen und vermüllt.

In unserer Wohngegend herrscht dagegen Totenstille. Einige Nachbarn sind geflüchtet, die noch verbliebenen sind weder zu sehen noch zu hören.

Man hört nur das Brummen der Hubschrauber.

Zweiter Samstag

Noch immer kein Wasser, Fernsehen, Internet und Telefon. Am Fuße des Berges gibt es schon Wasser, bis zu uns reicht der Wasserdruck noch nicht. Und die Telekom macht auch nicht den Eindruck, als ob sie sich für ihre Kunden „ein Bein ausreißen“ würde.

Zusätzlich noch das Drama mit dem Haus meiner Schwiegermutter, das für uns kaum zu erreichen ist, weil es auf der anderen Seite liegt.

Die inzwischen zwei verbliebenen Brücken sollen Einsatzfahrzeugen und Müllabfuhr vorbehalten bleiben. Die Polizei kontrolliert jeden Wagen, der auf die andere Seite will. Ich habe Fräulein Plaudertasche auf die andere Seite zu ihrer Freundin gefahren, zum Übernachten mit Dusche und WLAN.

Der Umweg führte über mehrere Dörfer. Fast zwei Stunden war ich unterwegs, wofür „sonst“ 20 Minuten reichten.

Zweiter Sonntag

Es geht nicht vorwärts, kein Wasser und nichts Neues von der Telekom. Zum Glück hat es gestern geregnet, alle Regentonnen sind voll. Die Toilettenspülung ist gesichert. Wenigstens brauchen wir nicht in den Garten urinieren, wie unser Nachbar.

Heute und morgen herrscht Fahrverbot, nur Einsatzwagen, Müllabfuhr und Anwohner dürfen noch unterwegs sein. Wir werden auch die Stadt meiden und über die Eifel und die Autobahn Fräulein Plaudertasche nach Hause holen.

Das Auto von Herrn Plaudertasche hat schon wieder einen platten Reifen, genau an der selben Stelle, wie vor ein paar Tagen.

Als er heute morgen Trinkwasser besorgen wollte, musste er wieder umkehren.

Die Werkstatt können wir erst morgen erreichen.

Die Erdgeschoss-Mieter meiner Schwiegermutter haben klammheimlich im Pflegeheim ihre Mietminderungs-Schreiben abgegeben. Das war natürlich eine herbe Enttäuschung für sie, nicht die Mietminderung, sondern die Tatsache, dass keiner der Mieter sich persönlich an sie gewandt hat. Dabei hatte sie sie gebeten, anzurufen. In ihrem Auftrag habe ich ein Antwortschreiben aufgesetzt.

Zweiter Montag

Heute ist unser Glückstag: als ich heute morgen die Zähne putzte, plätscherte es im Spülkasten hinter mir. Wasser, endlich Wasser!

Ein weiterer Schritt zurück zur Normalität. Die Autowerkstatt betrachtet den Reifenschaden als Garantiefall, sehr zu unserer Freude.

Für die fälligen Bankgeschäfte bin ich heute in die Eifel gefahren, weil hier alle Sparkassenfilialen vom Wasser betroffen sind.

Inzwischen läuft ein Reinigungs- und Pflegeprogramm in der Spülmaschine und die zweite Waschmaschinenfüllung dreht ihre Runden.

Ich habe erfahren, dass die Telekom ein Glasfaserkabel über den Fluss gezogen hat und das Krankenhaus und zwei weitere Kliniken wieder am Festnetz sind. Das Krankenhaus ist etwa 500m von uns entfernt und war nicht direkt von Hochwasser betroffen. Vielleicht werden wir heute auch von unserer Informationsarmut befreit.

Zweiter Dienstag

Noch immer kein Fernsehen, Telefon und Internet. Die Telekom lässt uns im Stich.

Den Vormittag habe ich im Vorgarten verbracht, gemäht, gehackt, Rosen geschnitten. Ein Nachbar kam vorbei und erkundigte sich, ob es bei uns Telefon und Internet gäbe.

Inzwischen ist das Auto in die Werkstatt geschleppt worden. Mal sehen, wann wir es abholen können.

Fräulein Plaudertasche fragt mehrmals am Tag, ob endlich wieder WLAN da sei. Das muss ich leider verneinen.

Dritter Mittwoch

Ich bin total abgehetzt.

Seit 9.00 Uhr bin ich unterwegs, erst in die Wohnung meiner Schwiegermutter, einige Sachen holen und den Gefrierschrank ausräumen, zurück zum Parkplatz, weil die Parkzeit abgelaufen war, weiter zum Pflegeheim. Danach erledigte ich den Einkauf.

Vorher wurde ich noch von der Polizei angehalten und nach meinem Ziel befragt. Zum Schluss bin ich fast im Schritt-Tempo nach Hause getuckert.

Als ich um 12.00 Uhr wieder zurück war, fing ich gleich an, das Mittag zu kochen, denn Herr Plaudertasche wollte im Haus seiner Mutter helfen.

Dritter Donnerstag

Zwischen dem Befüllen und Leeren der Waschmaschine habe ich Herrn Plaudertasche zur Werkstatt gefahren, um sein Auto abzuholen.

Die Telekom lässt uns weiter „am langen Arm verhungern“.

Anstatt abends den Fernseher anzuschalten, habe ich schon drei Bücher von Jussi Adler Olsen „verschlungen“.

Dritter Freitag

Wir sind wieder in die Eifel gefahren, um den Wochenendeinkauf zu erledigen.

Danach habe ich die Störungshotline der Telekom angerufen, um zu erfragen, wie es eigentlich weitergehen soll. Dabei erfuhr ich, dass die Störung bis zum 01.09.2021, 10.00 Uhr behoben sein soll.

Das sind ja prima Aussichten! Wir überlegen, den Anbieter zu wechseln.

Zur Krönung bekam ich am Nachmittag eine Gallenkolik, von der ich mich jetzt langsam erhole.

Dritter Samstag

Fräulein Plaudertasche hat erfahren, dass die Telekom sogenannte „Schnellstarts“ verteilt, mit denen man ins Internet kommt.

Herr Plaudertasche hat uns also so ein kleines Gerät besorgt und nach über zwei Wochen konnten wir Nachrichten sehen, E-Mails lesen …

Wir sind unserem alten Leben wieder ein Stückchen näher und haben uns ein paar Tage Urlaub gebucht in der näheren Umgebung, aber weit genug weg vom Hochwassergebiet.